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Mit den Händen kommunizieren – mit den Augen verstehen

SCHREINER GROUP

Mit den Händen kommunizieren –
mit den Augen verstehen

Kristina Fleischer und Kilian Spillner sind zwei Mediendesigner bei der Schreiner Group. Beide sind Familienmenschen, sportbegeistert und – was sie am meisten verbindet – taub. Uns haben sie verraten, wie die Verständigung in der Arbeit funktioniert, welche Wünsche sie an die Kollegen haben und was die Gehörlosenkultur ausmacht.

Wie funktioniert die Verständigung mit den Kollegen bei der Arbeit?

Kilian: Als ich hier angefangen habe, musste in der Gruppenbesprechung immer jemand für mich mitschreiben, da ging leider vieles verloren. Jetzt haben wir alle zwei Wochen einen Dolmetscher bei Besprechungen. Natürlich wäre es besser, noch öfter einen Dolmetscher zu haben, aber das würde das Inklusionsamt nicht übernehmen.

Kristina: Was super ist, ist der Chat per Skype, das hatte ich vorher noch bei keinem Arbeitgeber. Zu zweit bekommen wir aber auch viel mehr mit als alleine. Wir können uns untereinander austauschen und auch mal selbstbewusst nachfragen.

Die Kollegen sagen mir auch, dass ich viel offener geworden bin, seit Kristina hier ist. Das hat uns beide gepusht und uns Mut gegeben.

Auch Spaß gehört zur Arbeit. Zu zweit als Gehörlose ist das gut möglich, das hat mir vorher bei meinen Jobs gefehlt.

Die Kollegen am Arbeitsplatz geben sich auch viel Mühe. Viele von unseren Kollegen haben freiwillig einen Gebärdensprachkurs gemacht. Ein kleiner Schritt, um uns besser zu verstehen. Ein langes Gespräch ist aber leider nicht möglich.

Wir wollen alle Kollegen motivieren, mit uns zu kommunizieren und ihnen grundsätzliche Kommunikationsregeln mitgeben. Wir Gehörlosen brauchen beispielsweise den Augenkontakt, fehlender Augenkontakt gilt als unhöflich.

Gab es denn auch schon Missverständnisse bei der Arbeit?

Einmal hatten wir uns zu zweit unterhalten und ein Kollege, der uns gesehen hat, dachte, Kristina sei sauer. Das lag nur an ihrer starken Mimik, die einfach zum Gebärden gehört.

Es gibt natürlich auch Missverständnisse unter Kollegen, mit denen wir oft zu tun haben. Zum Beispiel wenn ein Kollege uns unter Zeitdruck etwas erklärt und wir verstehen ihn dann falsch.

Kristina Fleischer und Kilian Spillner sind beide taub – und zeigen täglich, dass Kommunikation bei weitem nicht nur über gesprochene Sprache funktioniert.

Welche Wünsche habt Ihr an die Kollegen in der Schreiner Group?

Es liegt uns sehr am Herzen, dass alle wissen, dass wir nicht beißen. Hörende können gerne den ersten Schritt machen und auf uns zugehen.

Ein Kollege aus einer anderen Abteilung hatte einmal eine Frage, die mit mir geklärt werden musste. Er ging stattdessen zu einem Kollegen aus meinem Team, erklärte dem alles und mein Kollege musste dann wieder alles mit mir klären. Jeder kann gerne immer direkt auf mich zugehen. Schriftlich ist es sowieso kein Problem, alles zu klären.

Viele Kollegen wissen leider nicht, wie sie uns ansprechen sollen. Eine Kollegin von mir wurde auch schon angerufen, um mir etwas auszurichten.

Natürlich ist ein Telefonanruf für die meisten Kollegen schneller, für uns ist es aber auch leichter zu gebärden. Es wäre nett, wenn sich die Kollegen dann auch einfach die Zeit nehmen würden, kurz zu schreiben.

Ich habe gehört, dass es Gehörlosensport und eine eigene Gehörlosenkultur gibt. Wie sehr seid Ihr in eurer Freizeit selbst darin involviert?

Ja, das gibt es. Ich selbst war aktiver Tennis- und Basketballspieler. Ich hab bei deutschen Meisterschaften mitgemacht und war auch erfolgreich. Aufgrund einer Knieverletzung musste ich Tennis und Basketball leider aufgeben.

Ich mache viel beim Verein Gehörlose Bergfreunde München e. V. (gbf-muenchen.de). Ich bin dort Leiterin der Abteilungen Familie/ Frauen und Volleyball. Einmal im Monat organisiere ich einen Tac-Spieleabend, zwei bis dreimal im Jahr gibt es Vorträge. Kilian hatte einmal einen Vortrag über sein Jahr in Kambodscha gehalten.

In der Gehörlosenkultur gibt es auf der ganzen Welt Events, z. B: diverse Theater, Kulturtage, Jugendfestivals, EM und WM, alle vier Jahre Deaflympics und vieles mehr.

Es gibt in der Gehörlosenkultur keine Berührungsängste, die visuelle Wahrnehmung steht im Mittelpunkt. Hörenden ist ständiger Augenkontakt oft unangenehm, aber vielleicht können wir helfen, die Hemmschwelle etwas abzubauen.

Kilian Spillner

Auch wenn die Zeit seitdem schnell vorübergegangen ist, Kilian Spillner ist bereits seit März 2018 bei der Schreiner Group. Er ist taub geboren und in einer gehörlosen Familie aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung und ein paar Jahren Arbeitserfahrung als Mediengestalter kündigte er seinen Job, um in Kambodscha ein Jahr lang Freiwilligendienst zu leisten. Heute verbringt der gebürtige Münchner seine Freizeit am liebsten mit seiner Frau und seinem Sohn, aber auch Freunde und Sport dürfen für ihn nicht zu kurz kommen.

Kilian Spillner gebärdet hier „Hallo“.

Kristina Fleischer

Seit Januar 2019 ist Kristina Fleischer im selben Team wie Kilian Spillner. Sie ist taub, kann aber gut von den Lippen ablesen, wenn man deutlich spricht. Die gelernte Reproherstellerin stammt ursprünglich aus Berlin, hat in Köln vier Jahre als Mediengestalterin für eine Wirtschaftszeitung und in München für einen Zeitschriftenverlag gearbeitet. Neben der Arbeit verbringt die dreifache Mutter viel Zeit mit ihrer Familie und schafft es nicht nur selbst Sport zu machen, sondern auch diverse ehrenamtliche Aufgaben für den Verein Gehörlose Bergfreunde München e. V. zu übernehmen.

Kristina Fleischer zeigt die Geste für „Danke“.