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Industrie 4.0 „Wir sind bei Weitem noch nicht am Ziel“

SCHREINER PROTECH

Industrie 4.0
„Wir sind bei Weitem noch nicht am Ziel“

Vernetzt, intelligent und flexibel, so soll die neue Arbeitswelt sein. Dank IoT und RFID ist die Vision in manchen Bereichen schon Realität. Doch wo genau stehen wir auf dem Weg zur Industrie 4.0? Welch großen Beitrag selbst kleinste Hightech-Etiketten und smarte RFID-Labels zu dieser Entwicklung liefern können, erläutert der Zukunftsforscher und Wissenschaftsjournalist Dr. Ulrich Eberl.

Herr Dr. Eberl, das Schlagwort Industrie 4.0 gibt es seit über einem Jahrzehnt. Hand aufs Herz: Wie digital ist die deutsche Industrie heute tatsächlich?

Der deutsche Begriff „Industrie 4.0“ ist eine internationale Erfolgsgeschichte, er ist weltweit bekannt. Nicht nur in Europa, auch in China, Japan, Südkorea und den USA. Im Kern geht es um die hochgradig automatisierte und zugleich flexible Fertigung. Zumindest in Sachen Digitalisierung ist in Deutschland bereits viel passiert, in Großfirmen wie bei Mittelständlern. Die Corona-Pandemie hat einen weiteren Schub verursacht. Schon erstaunlich, wie viele Menschen heute recht gut von zu Hause arbeiten können. Doch wir sind bei Weitem noch nicht am Ziel. Nahtlose Übergänge zwischen Software-Lösungen sind keineswegs Stand der Technik, und das umfassende Internet der Dinge – mit durchgängiger Maschine-Maschine- und Maschine- Objekt-Kommunikation – ist oft noch eine Vision. Mit dem 5G-Mobilfunk, Sensorik, der RFID-Technik und Hightech-Labels, wie sie die Schreiner Group fertigt, wird dies aber auch Realität werden.

Angesichts Automatisierung und KI: Wie wahrscheinlich ist es, dass bald nur noch Hightech-Roboter unsere Aufgaben übernehmen?

Künstliche Intelligenz bestimmt den Alltag schon stärker, als viele wissen. Beispiel Smartphone: Entsperren per Gesichtserkennung, Bildersuche, Sprachassistenten, Übersetzungsprogramme, Gesundheits-Apps – all das basiert auf KI. Ebenso die kollaborativen Roboter, die in Fabriken Hand in Hand mit Menschen arbeiten. Dennoch stecken selbst hinter den komplexesten KI-Systemen nur mathematische Optimierungen. Gesunden Menschenverstand kann man von einer Maschine nicht erwarten. Smarte Maschinen werden Routineaufgaben übernehmen, in der Fertigung wie in Büros, aber wo immer man Flexibilität, Kreativität und problemlösendes Denken braucht, geht es nicht ohne Menschen. In Forschung, Design, Planung, Qualitätssicherung, aber auch bei der Kommunikation mit Kunden und Partnern.

Innovative RFID-Labels lassen sich berührungslos auslesen und liefern damit wichtige Daten als Basis für eine funktionierende Industrie 4.0. Mithilfe der bewährten Technik lassen sich nicht nur Informationsübergabe und Ortserkennung, sondern darüber hinaus auch eine weltweit eindeutige Identifikation von Gegenständen realisieren.
Innovative RFID-Labels lassen sich berührungslos auslesen und liefern damit wichtige Daten als Basis für eine funktionierende Industrie 4.0. Mithilfe der bewährten Technik lassen sich nicht nur Informationsübergabe und Ortserkennung, sondern darüber hinaus auch eine weltweit eindeutige Identifikation von Gegenständen realisieren.

In Ihrem aktuellen Buch „Unsere Überlebensformel“ gehen Sie auf die großen globalen Umweltkrisen ein. Wie sind die denn zu lösen?

Vor allem müssen wir weg vom Karbon-Energydrink, wie ich es nenne. Wir müssen Energie gewinnen ohne Kohle, mobil sein ohne Öl, heizen ohne Erdgas, bauen ohne Beton, wirtschaften ohne Müll, denken in Kreisläufen und uns nachhaltiger ernähren, kurz: leben mit der Natur, nicht gegen sie. Die gute Nachricht: Die meisten Lösungen kennen wir bereits und sie sind ökonomisch sinnvoll umzusetzen. So ist Strom aus Wind und Sonne heute billiger als der aus Kohle, in manchen Regionen sogar um einen Faktor zehn. Grüner Wasserstoff wird bis 2030 günstiger sein als der aus Erdgas, und auch die Elektromobilität steht vor dem Durchbruch — vor allem, weil die Kosten für die Akkus seit 2010 um 90 Prozent gesunken sind. Im Übrigen sind auch hier Hidden Champions wie Schreiner unverzichtbar, weil sie wichtige Komponenten wie Druckausgleichselemente oder Heizfolien für Fahrerassistenzsysteme beisteuern.

Und wenn Sie jetzt einen Blick in die Zukunft werfen – wohin geht die Reise? Worauf müssen Unternehmen sich einstellen?

In diesem und im nächsten Jahrzehnt muss die Weltwirtschaft umgebaut werden, buchstäblich alle Branchen. Das bringt enorme Herausforderungen mit sich, aber auch große Chancen. KI und Robotik werden in allen Firmen eine wesentliche Rolle spielen. Ebenso die automatische Analyse und Optimierung von Prozessen und sogenannte resiliente digitale Zwillinge, die Störungen in der Produktion und in Lieferketten schnell erkennen und beheben helfen. Unternehmen werden sich auf „Industrie 4.0“ nicht ausruhen können – die „Industrie 5.0“ ist schon in Sicht.

Dr. Ulrich Eberl

ist einer der renommiertesten Wissenschafts- und Technikjournalisten deutscher Sprache. Er promovierte an der TU München in Biophysik, arbeitete bei Daimler und leitete 20 Jahre lang bei Siemens die Kommunikation über Forschung, Innovationen und Zukunftstrends. Heute ist er als selbstständiger Zukunftsforscher, Vortragsredner und Buchautor tätig, u. a. über künstliche Intelligenz („Smarte Maschinen“) und die Lösungen der größten Umweltkrisen („Unsere Überlebensformel“).

Der Zukunftsforscher Dr. Ulrich Eberl zusammen mit dem Roboter Nao und seinem aktuellen Buch
Der Zukunftsforscher Dr. Ulrich Eberl zusammen mit dem Roboter Nao und seinem aktuellen Buch