Innovation im Wandel: RFID zwischen Tradition, Technologie und TikTok
SCHREINER PROTECH
Innovation im Wandel:
RFID zwischen Tradition, Technologie und TikTok
Die AutoID-Branche steht am Wendepunkt. Automatisierung, IoT und Echtzeitortung verändern zunehmend autonome Prozesse grundlegend. Peter Altes, Geschäftsführer von AIM-D e.V., der deutschsprachigen Einheit des global agierenden Industrieverbands für Automatische Identifikation, Datenerfassung und Mobile Datenkommunikation, hat mit uns über technologische Potenziale und unterschätzte Entwicklungen gesprochen – und warum Standardisierung wichtiger ist als je zuvor.
Herr Altes, welche Entwicklungen bestimmen derzeit den Stand der AutoID-Technologie?
Peter Altes: Das Warehouse auf der grünen Wiese ist heute ohne RFID und Automatisierung kaum noch vorstellbar. Heute wird nahezu jedes Objekt digital zugeordnet – eine Voraussetzung für vollautomatisierte Prozesse.
Bei älteren Bestandsanlagen schaut es allerdings ganz anders aus. Da stellt sich immer die Frage: Wie hoch ist der Innovationsdruck? Was kann man umstellen – und vor allem: was kostet es? Eine Umstellung im laufenden Betrieb gleicht einer Operation am offenen Herzen: riskant, aber notwendig.
Was hat man denn in den vergangenen Jahren falsch eingeschätzt oder vielleicht auch ein wenig verschlafen?
Die Vorstellung, die man ganz am Anfang des RFID-Hypes hatte, dass mein Joghurtbecher mit einem 1 Cent teuren RFID-Tag ausgerüstet ist, aus dem Kühlschrank heraus mit mir kommuniziert und sagt, dass er gleich abläuft – das ist eher sinnlos und zumindest wirtschaftlich unrealistisch.
Wenn wir jetzt als anderes Beispiel die Echtzeitortung nehmen, da stellt sich die Situation schon anders dar. Obwohl diese Technologie schon lange verfügbar ist, wurde der Markt dafür erst vor wenigen Jahren nachhaltig geöffnet, was dann erst den Innovationszyklus beschleunigte.
Auch in der Humanidentifikation zeigt sich das Spannungsfeld zwischen den Möglichkeiten und der letztendlichen Umsetzung. Nehmen Sie eine medizinische Einrichtung, wo die Sensoren am Bett beispielsweise signalisieren, dass ein Heimbewohner nicht wie üblich aufgestanden ist. Hier zeigt sich, dass es technisch zwar problemlos realisierbar ist, Datenschutz und Privacy jedoch immer berücksichtig werden müssen. Insofern würde ich es gern umformulieren und sagen, dass Potenziale in manchen Fällen noch nicht voll ausgeschöpft und nicht „verschlafen“ wurden.
Wie verändert sich die Branche insgesamt?
Entscheidend ist doch, dass wir das Entwicklungspotenzial SEHEN. Und da können wir eine ganz klare Öffnung erkennen. Früher wurde nur im eigenen Silo gedacht, heute blickt die Branche nach links, nach rechts, über den Tellerrand. Und das ist gut, denn keine Technologie kann alles. Komplexe Projekte brauchen einen Technologiemix. Große Konzerne sind da bisweilen flexibler als KMU, wo man oft hört: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Aber der Geschäftsdruck wächst – und das Bewusstsein verändert sich. Das merken wir auch im Verband: Jüngere Mitglieder bringen neue Perspektiven.
Ich drücke es einmal so aus: Früher hatten wir Produktblätter, heute gibt’s TikTok. Das heißt nicht, dass wir jetzt demnächst auf dieser Plattform AutoID-Produkte und Lösungen verkaufen werden – aber es zeigt einfach, wie sich die Kommunikation wandelt. Kurz, knapp, leicht verständlich. Da geht’s hin.
Wo sehen Sie denn aktuell die größten Herausforderungen für die Branche?
Ein meiner Meinung nach immer noch unterschätztes Thema ist die Standardisierung. Ja, das ist mühsam und trockene Fleißarbeit, aber sie ist immens wichtig! Warum? Weil rein proprietäre Systeme einem Unternehmen nur kurzfristig Vorteile verschaffen – und die Halbwertszeit wird da, ehrlich gesagt, immer kürzer.
Eine global vernetzte Welt braucht Interoperabilität, also eine Einheitssprache, und genau dafür setzen wir uns als Verband ein.
Jetzt wagen wir noch einen Blick in die Zukunft, wo stehen wir denn 2030?
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in den nächsten Jahren einen weiteren Sprung in den AIDC-Technologien sehen werden. Wir haben jetzt zwei Dellen hinter uns, die Corona-Pandemie sowie die aktuelle Marktunsicherheit, und das hat den Handlungsdruck erhöht. Ich bin trotz der ganzen Krisen optimistisch und sage Ihnen: In fünf Jahren stehen wir besser da als heute! Es sind jetzt große Lösungen gefragt und die werden auch den Markt generieren. Und wir als Verband halten die Flagge hoch, schaffen Awareness und klären auf – denn die Reise, die ist noch lange nicht vorbei.
AIM-D e.V. – Impulsgeber für AutoID und Digitalisierung
AIM-D e.V. ist der führende Industrieverband für Automatische Identifikation (AutoID), Datenerfassung und Mobile Datenkommunikation in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als Teil des globalen AIM-Netzwerks treibt der Verband die Verbreitung von Technologien wie Barcode, RFID, NFC und Sensorik voran — Schlüsselkomponenten für Industrie 4.0 und digitale Wertschöpfungsketten. Mit über 120 Mitgliedsunternehmen, darunter auch die Schreiner Group, engagiert sich AIM-D aktiv für Standardisierung, Innovationsförderung und bietet eine Plattform für Wissenstransfer sowie die Gestaltung von Zukunftsmärkten.